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Bittprozession am Vorabend zu Christi Himmelfahrt

Nicht viele Traditionen der Kirche können auf eine so lange Zeit zurückblicken: Seit dem 5.Jahrhundert gibt es den volkskirchlichen Brauch der Prozessionen über Acker und Flur in den Tagen vor Christi Himmelfahrt. Der Bischof von Vienne in Frankreich ordnete erstmals wegen Erdbeben, Unwetter und Missernten und daraus resultierender Hungersnot Bittprozessionen an. Mit Papst Leo III wurde der Brauch der Flurumgänge Anfang des 9. Jahrhunderts in der gesamten Kirche eingeführt. Die Gläubigen bitten um eine gute Ernte. Wasserfluten, Hagel und Dürre mögen die Aussaat und die Früchte der Erde nicht vernichten.
Diakon Helmut Greißl knüpfte bei der Flurprozession der St. Nikolaus-Pfarrei von Gerbrunn an diese ursprünglich agrarische Ausrichtung der Prozession an und fragte, ob dieser Brauch in der heutigen Zeit nicht ein Anachronismus sei. "Garantieren nicht Kunstdünger, eine effektive Bewirtschaftung des Bodens und ausgeklügelte Bewässerungsmethoden auf jeden Fall eine erfolgreiche Ernte? Ist das Bittgebet überflüssig?", so Greißl.
Frühere Generationen haben aus dem Gebet Zuversicht, Kraft und Hoffnung geschöpft. In unseren Tagen einer weithin industrialisierten Landwirtschaft haben die Gebete eine nicht geringere Bedeutung: Es geht um die Schöpfung als ganze. Sie ist zutiefst gefährdet. Klimawandel, Artensterben, Raubbau an den Regenwäldern zeichnen ein eher düsteres Bild von der Zukunft der Erde.
Diakon Greißl erinnerte an den Schöpfungsbericht der Bibel: Die Erde wird in die Hand der Menschen gegeben, sie sollen verantwortlich mit ihr umgehen, sie erhalten und pflegen. Fürbitten bei Flurprozessionen sind dann kein Alibi für eigenes Nichtstun, kein Abschieben der Verantwortung auf einen bloßen Nothelfer-Gott. In den Lesungen und Gebeten der Gerbrunner Prozession kamen die Achtung vor der Natur und die Verantwortung für sie deutlich zur Sprache. Den Teilnehmern wurde bewusst, dass es fatal wäre, wenn ausgerechnet auch die Christen sich daran beteiligten, die Erde zum eigenen Vorteil zu plündern und zu zerstören.

Reinhard Kies

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